Behandlung

Die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung berücksichtigt neben dem traumatischen Ereignis auch persönliche Faktoren, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung beigetragen haben. Nachdem gemeinsam mit dem*r Therapeut*in Ziele für die Behandlung formuliert und ein Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung der Posttraumatischen Belastungsstörung erarbeitet wurden, gliedert sich die Therapie der Störung in mehrere Phasen:
- Indirekte Traumaarbeit (Stabilisierungs- und Sicherheitsphase): Schaffung von Sicherheit, Erklärungen und Kontrolle, "das Leben zurück erobern"
- Direkte Traumaarbeit: das Vermeidungsverhalten aufgeben, die emotionale "Gewalt" der Traumas verblassen lassen, Einordnung des Traumas in das eigene Zeiterleben als "Vergangenheit", Gedankliche Neubewertung der Traumafolgen
- Einbindung des Traumas in die eigene Biografie und Neuorientierung in beeinträchtigten Lebensbereichen
Bei der Behandlung ist es entscheidend, der ersten Phase der Stabilisierung ausreichend Zeit zu geben. Nur mit einem stabilen Fundament sind Betroffene im weiteren Verlauf der Therapie belastbar genug für die direkte Traumaarbeit!
Im Rahmen der Stabilisierungsphase ist die Herstellung und Wahrung der eigenen Sicherheit ein erstes Ziel. Es dürfen keine Täter*innenkontakte stattfinden, um die Gefahr der Wiederholung zu minimieren. Konkrete Hilfestellungen im Alltag sowie im Umgang mit offiziellen Stellen (sofern gewünscht) können in dieser Therapiephase ebenso zur Anwendung kommen wie Strategien zur Regulation starker Gefühle, starker Anspannungszustände und erhöhter Schreckhaftigkeit. Hierzu bieten sich Entspannungsverfahren an, deren Anwendung und Grenzen in der Therapie kennen gelernt werden. Häufig kommen in dieser Phase auch Vorstellungsübungen zum Einsatz, in denen gelernt wird, innere Bilder von Sicherheit und Stabilität zu erzeugen, die später bei der Vorbereitung der direkten Traumaarbeit genutzt werden können.
Sollten deutliche Schlafprobleme auftreten, kann der*die Therapeut*in Methoden aufzeigen, die zur Verbesserung des Schlafes beitragen (sog. "Schlafhygiene"). Zudem lernt man bereits in der Stabilisierungsphase, der Neigung zur Gedankenunterdrückung und zum Grübeln entgegenzuwirken. Hilfreich können hier z.B. Übungen zur Beobachtung und inneren Distanzierung von Gedanken sein. Auch wird es darum gehen, dass erste Schritte unternommen werden, um das Leben "zurück zu erobern" (Freizeitaktivitäten, soziale Kontakte,...).
Sind ausreichend Stabilisierungskompetenzen erworben, wird mit der direkten Traumaarbeit begonnen. Ziel dieser Phase ist zum einen, zusammen mit dem*r Therapeut*in an ungünstigen Gedanken und Überzeugungen zu arbeiten, die durch die Traumatisierung hervorgerufenen wurden. Zum anderen soll das Vermeidungsverhalten abgebaut und die Verarbeitung der traumatischen Erfahrung (= Verblassen lassen der emotionalen Traumagewalt, Einordnung des Trauma als Vergangenheit) gewährleistet werden. Dies passiert entweder im Rahmen von sog. Konfrontationen ("Expositionen") mit den Traumainhalten oder im Rahmen von imaginativen Trauma-Umstrukturierungen (Vorstellungsübungen).
Die Übungen finden erst statt, wenn Betroffene ein ausreichendes Maß an Stabilität erworben und gelernt haben, mit starken Emotionen umzugehen. Auch finden die Expositionen nur nach genauer Absprache statt (im Rahmen von Vor- und Nachbereitungen), so dass man zu jedem Zeitpunkt über das genaue Vorgehen informiert ist. Die Konfrontationen folgen dabei einem bestimmten Ablauf. Der*die Therapeut*in führt den*die Patient*in anhand wiederkehrender Fragen durch die Konfrontationen, so dass er*sie ein größtmögliches Ausmaß an Sicherheit und Verlässlichkeit erlebt.
Neben den Konfrontationen, die im Rahmen der Therapiestunden stattfinden, wird es unumgänglich sein, dass Betroffene sich auch außerhalb der Therapiestunden mit den Konfrontationsübungen befassen (etwa im Rahmen von "Übungen in Eigenregie"), welche in den Therapiestunden detailliert vor- und nachbesprochen werden. Neben der Konfrontationsbehandlung oder der imaginativen Traumaumstrukturierung umfasst die direkte Traumatherapie auch die Arbeit an ungünstigen Gedanken und Grundannahmen, die durch die Traumatisierung entwickelt wurden. Durch eine Traumatisierung werden meist grundlegende Annahmen über sich und die Welt erschüttert. Auch wenn Menschen über diese Annahmen häufig nicht bewusst nachdenken, gehen nicht-traumatisierte Menschen meist davon aus, dass die Welt sicher, verstehbar, vorhersehbar und das eigene Ich wertvoll ist. Diese Annahmen werden durch die Traumatisierung in Frage gestellt. Als Folge können Probleme des Selbstwertes und eine überstarke Suche nach Bedrohungsreizen in der Umwelt entstehen. Während der Behandlung werden diese beschädigten Grundannahmen kritisch reflektiert und hilfreiche Alternativen erarbeitet. Ein weiteres Ziel ist, der überstarken Suche nach Bedrohungen entgegen zu wirken. Der*die Therapeut*in wird den*die Betroffene*n darin unterstützen, tatsächliche von lediglich vermeintlicher Gefährdung zu unterscheiden.
Häufig erleben Menschen nach Traumatisierungen in Folge ungünstiger Bewertungen starkes Schuld- und Schamerleben ("Bin ich selber schuld? Hätte ich die Tat verhindern können?"). Derartige Bewertungen können im Sinne von Grübeln die Symptomatik aufrechterhalten. Auch hier gilt es, die Gedanken zu überprüfen und zu überlegen, welchen Nutzen, aber auch welche Einschränkungen und "Kosten" das überdauernde Grübeln bedeuten. Weiterhin werden Betroffene in der Therapie im Umgang mit starken Gefühlen durch Techniken der Gefühlsregulation und der gedanklichen Distanzierung (Vorstellungsübung) unterstützt.
Am Ende der Therapie wird die Integration der Traumatisierung in die eigene Biografie und die Neuorientierung stehen. Hier kann es hilfreich sein zu überlegen, wie das Leben ohne die Traumatisierung verlaufen wäre und welche Lebensziele unabhängig von der Traumatisierung vorliegen. Der*die Therapeut*in wird den*die Patient*in dahingehend unterstützen, die eigentlichen Lebensziele wieder zu verfolgen. Insbesondere in dieser letzten Phase der Therapie können individuelle Besonderheiten (z.B. bestimmte Persönlichkeitszüge) stärker in den Vordergrund der Behandlung gerückt werden. Durch Arbeit am Hintergrund können auch frühe biografische Erfahrungen, welche zur Ausbildung ungünstiger Einstellungen und Verhaltensmuster geführt haben, stärker herausgestellt und bearbeitet werden.
Manchmal ist es auch sinnvoll, verschiedene "intellektuell gewonnene" Einsichten durch den Einsatz bestimmter Verfahren (Vorstellungs- oder Körperübungen) "erlebbarer" zu machen. Auch kann es sinnvoll sein, bestimmte Kompetenzen z.B. im Hinblick auf die Regulation von Gefühlen oder im Sinne zwischenmenschlicher Kompetenzen (z.B. sich abgrenzen, "nein"-sagen) zu erweitern und mit bestimmten Techniken (z.B. durch den Einsatz von Rollenspieltechniken) gezielt zu trainieren.
Wie sinnvoll ist eine medikamentöse Behandlung?

Bei einer ausgeprägten Symptomatik kann es Sinn machen, zusätzlich zur Verhaltenstherapie eine medikamentöse Behandlung einzuleiten. Medikamente erster Wahl stellen hier die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) dar, welche den Spiegel des Gehirnbotenstoffes Serotonin erhöhen (ähnliche Medikamente werden z.B. auch bei Depressionen gegeben).
Diese Medikamente wirken erst nach einer Dauer von ca. 8-12 Wochen, d.h. erst nach dieser Zeitspanne ist die Wirkung des Medikamentes beurteilbar. Im Falle einer erfolgreichen medikamentösen Behandlung sollte die Medikation für die Dauer von ca. 1 Jahr beibehalten werden. Liegt eine ausgeprägte Symptomatik vor, wird sich der*die Therapeut*in nach Absprache mit dem*r Betroffenen an den*die mitbehandelnden Facharzt*ärztin wenden und eine kombinierte Behandlung anstreben.
Aufgrund der Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung sollten Beruhigungsmittel (Benzodiazepine wie z.B. Diazepam, Valium, Tavor etc.) nur äußerst vorsichtig eingesetzt werden (maximal für 4-8 Wochen). Die Einnahme dieser Medikamente sollte auf jeden Fall mit dem*r Therapeut*in thematisiert werden, damit mit dem*r mitbehandelnden Arzt*Ärztin ein strukturierter Plan zum stufenweisen Absetzen der Medikamente erarbeitet werden kann.
Eine erfolgreiche Konfrontationsbehandlung kann nur stattfinden, wenn parallel keine Beruhigungsmittel eingenommen werden.