Behandlung
Die Behandlung der Agoraphobie und Panikstörung
Die Behandlung einer Agoraphobie oder Panikstörung berücksichtigt die Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass die Störung entstanden ist und aufrechterhalten wurde. Zunächst werden werden Ziele für die Behandlung erarbeitet und die vorliegenden Ängste sehr konkret beobachtet. Dann lernt der*die Patient*in, sich den Ängsten zu stellen, indem er*sie mit Unterstützung seines*r Therapeut*in die Angstsituationen gezielt aufsucht oder die körperlichen Angstsymptome gezielt hervorruft.
Der Ablauf ist grob der folgende:
- Individuellen Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Angststörung erarbeiten
- Ziele festlegen: Was möchte ich in der Therapie erreichen?
- Angstsituationen durch Selbstbeobachtungen analysieren
- Sich den Ängsten stellen (Konfrontationen)
- Arbeit an den Hintergründen der Störung
Je nach den Faktoren, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Agoraphobie oder Panikstörung beteiligt sind, ist eine individuelle Behandlung notwendig.
Die Therapie wird zwei Behandlungsstränge verfolgen: zum einen die Arbeit am Symptom der Ängste selber, zum anderen die Therapie am Symptomhintergrund, also den Faktoren, die den "Nährboden" für die Entwicklung der Störung gebildet haben.
Wie läuft die Behandlung einer Agoraphobie oder Panikstörung konkret ab?
Zunächst arbeiten Therapeut*in und Patient*in heraus, welche Faktoren zur Entstehung der Angststörung beigetragen haben und welche Faktoren die Angststörung aufrechterhalten. Dieses individuelle "Erklärungsmodell" ist dann die Basis, um hieraus sowohl Ziele für die Arbeit an der Agoraphobie oder Panikstörung selber als auch Ziele bezogen auf den Hintergrund der Störung abzuleiten.
Oft wird zunächst die Arbeit an der Angstsymptomatik selber im Vordergrund stehen, um die Ängste zu reduzieren und einer weiteren Ausweitung der Ängste entgegen zu wirken. Hierdurch erhalten Patient*innen wieder mehr Handlungsspielraum und erleben Kontrolle über die Symptome.
Durch sehr genaue Selbstbeobachtungen in Angstsituationen wird den Patient*innen zunehmend deutlicher, wann (in welchen Situationen und unter welchen psychischen "Vorbedingungen") die Ängste in welcher Stärke auftreten. Hieraus kann dann ihr individueller Angstteufelskreis erarbeitet werden mit den Körpersignalen, Gedanken und Verhaltensweisen, die unter Angst auftreten. Patient*innen erkennen daran, dass Sie nicht "verrückt sind", sondern an einer Angststörung leiden, die bei ihnen auf eine ganz bestimmte Weise abläuft.
Um all dies zu ermöglichen, legen wir großen Wert darauf, dass Patient*innen ausführlich über die Theorie und ihre eigene Störung informiert sind. Wir nehmen uns viel Zeit, die Störung zu erklären und ein individuelles Modell herauszuarbeiten.
Nach der Selbstbeobachtungsphase wird der*die Therapeut*in den*die Patient*in darin unterstützen, sich den Ängsten zu stellen. Dies passiert im Rahmen von Konfrontationsübungen ("Expositionen"). Ziel dieser Expositionen ist es, sich den angstauslösenden Situationen (Agoraphobie) oder Körpersymptomen (Panikstörung) direkt und willentlich auszusetzen und zu erleben, wie die Angst wieder abnimmt. Der*die Patient*in lernt dadurch, die Situationen nicht länger zu vermeiden.
Es ist verständlich, wenn diese Informationen bei Betroffenen jetzt erst einmal Unbehagen auslösen – schließlich geht es darum, sich mit Situationen konfrontieren, die starke Ängste auslösen. Diese Übungen sind aber der effektivste Weg zur Bewältigung der Ängste und sind in jahrzehntelanger psychologischer Forschung einer der erfolgreichsten Therapieansätze.
Die Übungen werden detailliert mit Patient*innen geplant und vorbereitet, so dass sie jederzeit über den Zweck und das Ziel einer Übung sowie über das genaue Vorgehen informiert sind. Hierzu wird gemeinsam eine Liste aller angstauslösenden Situationen erstellt, und es wird eine Reihenfolge der Situationen für die Bearbeitung festgelegt.
Es ist sowohl möglich, sofort mit der schwierigsten Situation anzufangen (was einerseits sehr herausfordernd ist, andererseits sehr gute und schnelle Behandlungserfolge verspricht), als auch stufenweise mit zunächst weniger schwierigen Situationen zu beginnen. In beiden Fällen wird es aber nötig sein, sich auch außerhalb der Therapiestunden mit den Konfrontationsübungen zu befassen (etwa im Rahmen von "Übungen in Eigenregie"), welche dann in den Therapiestunden detailliert vor- und nachbesprochen werden. In diesen "Hausaufgaben" können Patient*innen ihre Therapieerfolge festigen und schon Erfolgserlebnisse mit in ihren Alltag nehmen.
Mit diesen Methoden sind Agoraphobie und Panikstörung gut behandelbar. Es gilt:
je öfter Patient*innen die Konfrontationen durchführen werden, desto leichter werden ihnen die Übungen fallen. Entscheidend ist es, auch außerhalb der Therapiestunden (quasi in "Eigenregie") weiter zu üben. Nur so kann der Teufelskreis der Angst durchbrochen werden.
Auch die an der Angst beteiligten ungünstigen Gedanken sind Gegenstand der Therapie. Hier kann man z.B. durch das Führen von Gedankenprotokollen ungünstigen (katastrophisierende) Gedanken "auf die Schliche kommen". Gemeinsam mit dem*r Therapeut*in kann ein*e Patient*in diese Gedanken überprüfen und hilfreichere Alternativen erarbeiten.
Auch wird er*sie im Verlauf der Therapie lernen, die Ängste als "Warnsignal" einer erneuten erhöhten Belastung zu verstehen und zu nutzen.
In einem zweiten Behandlungsstrang werden die Hintergründe der Agoraphobie oder Panikstörung stärker in den Fokus gerückt. Hier gilt es, persönliche Lebenserfahrungen und deren Bezug zur Angststörung herauszuarbeiten und zu vertiefen. Die biografisch-systemische Verhaltenstherapie ist hier geeignet, heutiges Verhalten und Erleben an alte Verhaltens- und Erlebens"muster" anzubinden und damit erklärbar zu machen. Auch können im Hintergrund stehende ungünstige Glaubenssätze und "Lebensanschauungen" herausgearbeitet werden. Diese Lebensanschauungen können dann gemeinsam auf ihre Gültigkeit und auf die durch sie verursachten "Kosten" überprüft werden. Manchmal macht es auch Sinn, die verschiedenen "intellektuell gewonnenen" Einsichten durch ganz bestimmte Verfahren (Vorstellungsübungen, Körperübungen) "erlebbarer" zu machen.
Diese zweistrangige Therapie erfordert von Patient*in und Therapeut*in eine stetige Reflexion des Therapieverlaufes, um möglichen "Stolpersteinen" und "Therapiehindernissen" möglichst frühzeitig begegnen zu können. Daher reflektiert ein*e Therapeut*in in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit seinem*r Patient*in den jeweils aktuellen Stand der Zielerreichung (Wo stehen wir in Bezug auf die Symptom- und Hintergrundziele?).
Die Behandlung der Agoraphobie und Panikstörung
Wie sinnvoll ist eine medikamentöse Behandlung?
Bei einer schweren Angstsymptomatik kann es (zumindest zeitweilig) Sinn machen, zusätzlich zu einer Verhaltenstherapie eine medikamentöse Behandlung einzuleiten. Ziel einer medikamentösen Behandlung ist eine Wiederherstellung des Gleichgewichtes an Gehirnbotenstoffen, genauer eine Erhöhung des Botenstoffes Serotonin. Als Medikamente eignen sich demnach sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). In diesem Fall wird sich ein*e Therapeut nach Absprache mit dem*r Patient*in an den*die mitbehandelnden Facharzt*ärztin wenden und eine kombinierte Behandlung anstreben. Die medikamentöse Behandlung ersetzt jedoch keine Therapie und kann die Ursache eines Problems nicht beseitigen.
Zudem ist es für die verhaltenstherapeutische Behandlung unumgänglich, jegliche Medikation mit Beruhigungsmitteln (Anxiolytika oder Hypnotika wie z.B. Diazepam, Valium, Tavor etc.) abzusetzen. Sollten ein*e Patient*in entsprechende Medikamente einnehmen, sollte dies mit bei dem*r TherapeutInn angesprochen werden und mit dem*r mitbehandelnden Arzt*Ärztin einen strukturierten Plan zum stufenweisen Absetzen der Medikamente erstellen.