Behandlung
Die Behandlung der sozialen Phobie
Die Behandlung der sozialen Phobie berücksichtigt die Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass die Störung entstanden ist und aufrechterhalten wurde. Zunächst erarbeitet ein*e Patient*in gemeinsam mit dem*r Therapeut*in Ziele für die Behandlung und beobachtet sehr konkret seine*ihre Ängste. Dann lernt er*sie, sich den Ängsten zu stellen, indem er*sie mit Unterstützung dem*r Therapeut*in die Angstsituationen gezielt aufsucht.
Der Ablauf ist grob der folgende:
- Individuelle Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung der sozialen Phobie erarbeiten
- Ziele festlegen: Was möchte ich in der Therapie erreichen?
- Angstsituationen durch Selbstbeobachtungen analysieren
- Sich den Ängsten stellen (Konfrontationen)
- Arbeit an den Hintergründen der Störung
Je nach den Faktoren, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung der sozialen Phobie beteiligt sind, ist eine individuelle Behandlung notwendig. Die Therapie wird zwei Behandlungsstränge verfolgen: zum einen die Arbeit am Symptom der Ängste selber, zum anderen die Therapie am Symptomhintergrund, also den Faktoren, die den "Nährboden" für die Entwicklung der Störung gebildet haben.
Wie läuft die Behandlung der sozialen Phobie konkret ab?
Zunächst entwickeln Patient*in und Therapeut*in ein individuelles Störungsmodell der Erkrankung, um hieraus gemeinsam sowohl Ziele für die Arbeit an der sozialen Phobie selber als auch Ziele bezogen auf den Hintergrund der Störung abzuleiten.
Oft wird zunächst die Arbeit an der Angstsymptomatik selber im Vordergrund stehen, um die Ängste zu reduzieren und einer weiteren Ausweitung der Ängste entgegen zu wirken. Hierdurch erhalten Patient*innen wieder mehr Handlungsspielraum und erleben Kontrolle über die Symptome.
Durch sehr genaue Selbstbeobachtungen in Angstsituationen wird dem*r Patient*in zunehmend deutlicher, wann (in welchen Situationen und unter welchen psychischen "Vorbedingungen") die Ängste in welcher Stärke auftreten. Hieraus kann dann der individueller Angstteufelskreis erarbeitet werden. Betroffene können daran erleben, dass sie nicht "verrückt" sind, sondern an einer sozialen Phobie leiden, die bei jedem Menschen auf eine ganz bestimmte Weise abläuft.
Nachdem die Ängste genau analysiert sind, wird ein*e Therapeut*in den*die Betroffene*n darin unterstützen, sich den Ängsten zu stellen. Dies passiert im Rahmen von Verhaltensexperimenten (Konfrontationen) zu verschiedenen sozialen Angstsituationen.
Es ist verständlich, wenn diese Informationen bei Betroffenen erst einmal Unbehagen auslösen – schließlich geht es darum, sich mit Situationen konfrontieren, die große Angst auslösen. Diese Übungen sind aber der effektivste Weg zur Bewältigung der Ängste.
Die Übungen werden detailliert mit dem*r Patient*in geplant und vorbereitet, so dass er*sie jederzeit über den Zweck und das Ziel einer Übung sowie über das genaue Vorgehen informiert ist. Hierzu wird eine Liste der angstauslösenden Situationen und der typischen Absicherungen erstellt und es wird eine Reihenfolge der Situationen für die Bearbeitung festgelegt.
Ziel dieser Expositionen ist es, sich diesen Situationen direkt und willentlich auszusetzen, so dass Befürchtungen überprüft und widerlegt werden können. Dadurch soll gelernt werden, die Situationen nicht länger zu vermeiden und auf Absicherungen zu verzichten. Typische Übungen sind z.B. Übungen, bei denen der*die Patient*in im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer steht und die Reaktionen der Mitmenschen auf sein*ihr Verhalten beobachtet.
Es ist sowohl möglich, sofort mit der schwierigsten Situation anzufangen (was einerseits sehr herausfordernd für die Betroffenen ist, andererseits sehr gute und schnelle Behandlungserfolge verspricht), als auch stufenweise mit zunächst weniger schwierigen Situationen zu beginnen. Der*die Patient*in wird mit der Therapeut*in die optimale Konfrontationsmethode auswählen. In beiden Fällen wird es aber nötig sein, sich auch außerhalb der Therapiestunden mit den Konfrontationsübungen zu befassen (etwa im Rahmen von "Übungen in Eigenregie"), welche dann in den Therapiestunden detailliert vor- und nachbesprochen werden.
Neben den konkreten Übungen werden auch die an der Angst beteiligten Gedanken analysiert und bearbeitet. Häufig ist es so, dass Menschen mit sozialer Phobie zu Katastrophengedanken neigen. Diese ungünstigen Gedanken lassen sich durch Gedankenprotokolle herausarbeiten und werden dann im Rahmen der Therapie hinterfragt.
→ Mit diesen Methoden ist eine soziale Phobie gut behandelbar.
Es gilt: je öfter die Konfrontationen durchgeführt werden, desto leichter werden die Übungen fallen. Möglicherweise werden einige Übungen im Verlauf der Therapie sogar Spaß machen. Entscheidend ist es, auch außerhalb der Therapiestunden (quasi in "Eigenregie") weiter zu üben.
In einem zweiten Behandlungsstrang werden die Hintergründe der sozialen Phobie stärker in den Fokus gerückt.
Hier gilt es, die persönlichen Lebenserfahrungen und deren Bezug zur sozialen Phobie herauszuarbeiten und zu vertiefen. Die biografisch-systemische Verhaltenstherapie ist hier geeignet, heutiges Verhalten und Erleben an alte Verhaltens- und Erlebens"muster" anzubinden und damit erklärbar zu machen. Auch können im Hintergrund stehende ungünstige Glaubenssätze und "Lebensanschauungen" (z.B. mögliche idealisierte Vorstellungen von einem "gesunden" Sozialverhalten) herausgearbeitet werden. Diese Lebensanschauungen können dann gemeinsam auf ihre Gültigkeit und auf die durch sie verursachten "Kosten" überprüft werden. Manchmal macht es auch Sinn, die verschiedenen "intellektuell gewonnenen" Einsichten durch ganz bestimmte Verfahren (Vorstellungsübungen, Körperübungen) "erlebbarer" zu machen.
Wird im Verlauf der Therapie deutlich, dass die sozialen Ängste bei einem*r Patient*in damit zusammenhängen, dass er*sie bestimmte soziale Fertigkeiten nicht gelernt hat (also "soziale Defizite" vorliegen), bietet sich hier ein Training der interpersonellen Kompetenzen an. Sinnvoll und hilfreich sind hierfür meist Rollenspiele, in denen bestimmte soziale Situationen, die bestimmte soziale Fertigkeiten (z.B. sich abgrenzen, nein-sagen, ein Bedürfnis äußern, ein Gespräch beginnen) erfordern, gemeinsam gespielt und ausgewertet werden. Es kann auch sinnvoll sein, parallel an einem Gruppentraining zur Steigerung sozialer Kompetenzen teilzunehmen.
Wie sinnvoll ist eine medikamentöse Behandlung?
Bei einer schweren Form der sozialen Phobie kann es (zumindest zeitweilig) Sinn machen, zusätzlich zur Verhaltenstherapie eine medikamentöse Behandlung einzuleiten. Ziel einer medikamentösen Behandlung ist eine Wiederherstellung des Gleichgewichtes an Gehirnbotenstoffen, genauer eine Erhöhung des Botenstoffes Serotonin. Als Medikamente eignen sich demnach sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). In diesem Fall wird sich der*die Therapeut*in nach Absprache mit dem*r Patient*in an den*die mitbehandelnde*n Facharzt*ärztin wenden und eine kombinierte Behandlung anstreben. Die medikamentöse Behandlung ersetzt jedoch keine Therapie und kann die Ursache Ihres Problems nicht beseitigen.
Zudem ist es für die verhaltenstherapeutische Behandlung unumgänglich, jegliche Medikation mit Beruhigungsmitteln (Anxiolytika oder Hypnotika wie z.B. Diazepam, Valium, Tavor etc.) abzusetzen. Sollten ein*e Patient*in entsprechende Medikamente einnehmen, sollte dies dringend mit dem*r Therapeut*in thematisiert werden, um mit dem*r mitbehandelnden Arzt*Ärztin einen strukturierten Plan zum stufenweisen Absetzen der Medikamente zu erarbeiten.